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Donnerstag, 25. August 2016

Zurück in meinem alten Leben ...

... ganz unmerklich, ganz schleichend.

25.08.2016 - 12.06 Uhr

Es beginnt die Mittagszeit eines Tages, der zu einer der heißesten Wochen des Jahres gehört. Das Thermometer zeigt jetzt bereits 32 Grad und ich
sitze schwitzend am PC. Draußen strahlt die Sonne und macht dem Sommer alle Ehre. 

Wie oft habe ich jetzt schon wieder Anlauf genommen, um zu schreiben und immer wieder habe ich es nicht gemacht. Ist es mir zu verdenken?! - Reichen nicht 36 Monate Elend? - Nun, da in drei Wochen mein Vierjähriges ist (Vier Jahre seit dem ersten Besuch in der Uniklinik und der Diagnose AK), sollte ich doch ein paar Zeilen schreiben, um das seit November 2015 Gewesene zusammenzufassen.

Es geht mir gut. Keinerlei Schmerzen mehr und die Lichtempfindlichkeit ist auch zurückgegangen. Lediglich die Angst vor Sonne ist geblieben und die Angst, meine Sonnenbrille vergessen zu haben. Auf meinem "kranken" Auge bin ich immer noch blind. Außer hellen und dunklen Flecken erkenne ich nichts. Somit habe ich auch mein perspektivisches Sehen nicht zurück. Dafür habe ich aber seit ein paar Tagen eine neue Brille.

Da ich ja nur mit dem gesunde Auge sehen kann, ist es schon wichtig, dass ich das, was ich sehe, auch richtig sehe und bei meiner alten Brille stimmte ja überhaupt nichts mehr.

Statt 5,25 Dioptrien habe ich nun 4,25 Dioptrien. Eigentlich gut ... aber dafür werde ich gleichzeitig noch weitsichtig und somit habe ich Gleitsichtgläser. Was für ein Unterschied!!

Beruflich bin ich ein Stück weiter, als zu dem Zeitpunkt, als ich AK bekam. Ich bin also zurück in meinem alten Leben. Dass ich auf einem Auge blind bin, behalte ich für mich, denn ich weiß nicht, wie die Reaktionen des Gegenüber sein wird. - Außerdem habe ich mich daran gewöhnt und es klappt auch mit nur einem Auge ganz gut. 

Sogar den Mülleimer treffe ich wieder, wenn ich was hineinwerfen will. Der Mensch ist einfach ein komisches Tier, dem man nur Zeit geben  muß, damit er sich an neue Umstände gewöhnt.

Die zweite neue Hornhaut wird nun doch angenommen und heilt ganz, ganz, aber wirklich ganz langsam.

Zum Schutz trage ich eine Verbandskontaktlinse, die das komplette Auge bedeckt. Es muß wohl die größte überhaupt sein. Ich benötige sie, da durch AK und die Transplantationen mein Auge spitz nach vorne gewölbt ist. Das sieht keiner, nur ich, wenn ich nahe vor dem Spiegel stehe ... kann ich es sehen. Aber das ist doch nichts.

Ich bin ganz überrascht, als ich gerade den Satz schrieb ... ich bin zurück in meinem alten Leben. Wie unmerklich das gegangen ist. Aber ja, ich bin zurück ... verändert, innerlich (zufriedener) und äußerlich (ich trage Brille und schminke mich derzeit noch nicht) ... aber ja, ich bin zurück und keinen scheinen diese Veränderungen zu stören. Eigentlich dachte ich, dass ich es feiern würde, wenn ich mein Leben zurück habe, ich würde weinen, aber nichts ist. Es fällt mir gerade erst auf, dass ich mein Leben zurück habe. 

Es sind viele Wunden geblieben, innerlich, seelisch, die ich aber verberge und keinem mitteile. Manchmal überfallen mich abends vor dem Schlafen gehen Angstzustände. Aber wer weiß, vielleicht liegt es an etwas anderem, als an den vergangenen 4 Jahren. 

Noch ständig muß ich Isopto-Max nehmen ... um Bakterienbefall der neuen Hornhaut zu verhindern, aber im Vergleich zu allen Mitteln, die ich die letzten vier Jahre in mein Auge geschüttet habe, ist das ... ein Hustenbobon. 


Freitag, 6. November 2015

Doppelbilder

Samstag, 31.10.2015 - 08.34

Mein Fenster ist geöffnet und ab zu kann ich den vorbeifahrenden Verkehr hören. Ich liebe die frühen Stunden an Wochenenden. Alles ist gleich und doch
anders, ruhiger, nicht so gehetzt. Draußen wird Herbst und heute ist der erste kalte Morgen. Es scheint ein sonniger Tag zu werden und doch habe ich auf meinem Lieblingsbalkon seit Wochen keinen Sonnenschirm aufgestellt. Meine Sonnenbrille reicht mir. 

Meinem Auge geht es gut. Keine Schmerzen, keine übermäßige Lichtempfindlichkeit, kein Tränen. Also mein "Trio infernale", das mich so lange begleitet hat, ist nicht mehr an meiner Seite.

Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt; ein Leben nach AK und ohne Schmerzen, Lichtempfindlichkeit und tränendem Auge. Der Wunsch, mein altes
Leben wiederzubekommen hat mich so lange getragen, aufrecht gehalten, dass ich nun, da es doch anders ist, ein wenig enttäuscht bin. 

Ich kann nicht mehr perspektivisch sehen. Aus diesem Grund muß ich langsamer laufen, um Bodenunebenheiten nicht zu übersehen. Ansonsten stolpere ich und falle. Alles muß ich eigentlich langsamer machen, um mich davon zu überzeugen, wie weit weg es ist, um zu greifen. 

Wenn ich z.B. Motten im Flug fangen will, klappt das nicht. Ich sehe sie fliegen, weiß aber nicht, wie weit weg sie von mir ist. Es sieht nahe aus, ist aber manchmal 20cm weiter weg. So klatsche ich manchmal wie wild in der Luft rum, um sie zu erwischen .. weiß aber, das sieht total lächerlich aus, wenn ich so in der Luft klatsche und viel zu weit weg bin von der Motte. 

Das ist nur eine Kleinigkeit, das mit der Motte ... aber es umschreibt so ungefähr, wie es ist ... nicht mehr perspektivisch sehen zu können.

Andererseits sage ich mir:"Du kannst nicht wieder da anfangen, wo Dir alles vor drei Jahren aus den Händen geglitten ist." - A hat mich verändert und meine engsten Familienangehörigen auch.

Im Moment geht es mir sehr gut. Mittlerweile trage ich die dritte Verbandskontaklinse, die das komplette Auge bedeckt. Ich habe keine Schmerzen, bin normal lichtempfindlich und das komische ist, die Linse
klärt sich auf. Das bedeutet; schließe ich das gesunde Auge, kann ich mit
dem kranken Auge nicht nur helle und dunkle Flecken erkennen, sondern sogar Gegenstände oder Personen. 

Mein Arzt meinte beim letzten Besuch in der Uniklinik, "die Zellen würden sich spreizen" ... was immer das auch heißen mag. Die Abstoßung ist im Gange und kann auch nicht aufgehalten werden. Das sieht der Arzt an den Wasserbläschen. Nur ... wiegesagt, die Zellen der Hornhaut spreizen sich, wie ein Briefträger, dessen Gebiet sich vergrößert hat. Er strengt sich ja auch an, um das komplette Gebiet versorgen zu können. 

Nun gut ... die Abstoßung läuft. Aber ich merke nichts davon und bin zufrieden.

Nur, da ich jetzt mit dem kranken Auge ein wenig mehr sehen kann als nur helle und dunkle Flecken, versucht mein Verstand diese beiden Bilder wieder übereinander zu legen, also ein dreidimensionales Bild zu produzieren.

Tja, das klappt nicht. Mein krankes Auge hat so lange nichts gesehen, dass der Mittelpunkt, in dem sich beide Bilder (vom linken und rechten Auge treffen) sich verschoben hat und auch durch die Transplantation wurde das unterstützt. 

So ungefähr sehe ich manchmal. Natürlich ist das zweite, verschobene Bild nicht so klar, da mir ja die Linse für eine Scharfeinstellung fehlt. In Stresssituationen verdeckt dieses unscharfte zweite Bild mein klares Bild und das macht dann richtig Stress.


Also wenn ich nun die Augen öffne, sehe z.B. den Computerbildschirm aber gleichzeitig ein helles verschobenes Bild ... das nun stört. Ist schon leicht irritierend, zwei Bilder zu "sehen". Es fällt mir eigentlich nicht auf ... nur
wenn ich Stress habe. Und gerade den habe ich im Moment beruflich .

Aber was ist schon Doppelsehen gehen mein "Trio infernale". Nichts, Pinats ... nothing, nada ... Anstellerei. 

Also ... Stell Dich nicht so an und mach weiter.           

 



Dienstag, 8. September 2015

3. Jahrestag - alles gut?

Dienstag - 08.09.2015 - 06.03 

Heute morgen wurde ich schon um 05.30 wach. Keine Ahnung warum, aber anscheinend reichen mir heute knapp 6 Stunden Schlaf. Draußen dämmert es schon und die Stadt wird langsam wach. Um 10.00 Uhr habe ich Schule, Kunstunterricht. Also habe ich heute morgen richtig viel Zeit wach zu werden. 

Manchmal ist es nicht so gut, wenn ich so viel Zeit habe nachzudenken. Meine Gedanken gehen zu Geburtstagskindern in meinem Freundes- und Familienkreis und hüpfen dann aber ganz schnell zum 12.09.2012. Das ist der Geburtstag meiner Schwester und der Tag, an dem ich zur Uniklinik kam. 

An diesem Tag begann meine AK Geschichte und ich zu zählen, wann es vorbei ist. 

Wieder mal sitze ich mit geschlossenen Augen vor dem Computer und tippe, halte inne und suche nach den richtigen Worten, muss aufpassen dass kein Sturm von Bildern in meinem Kopf beginnt und stelle fest, da ist dann plötzlich dieses Loch. Ein Loch völlig ohne Erinnerung und Gedanken an das Vergangene. Wieder mal Verdrängung? Das wird wohl so sein und es steht immer mehr für mich fest, ich muß etwas tun. Denn mit den Erinnerungen an die schlimmste Zeit meines Lebens gehen auch alle anderen Erinnerungen an diese Zeit verloren. Sei es das Umsorgen meiner Tochter, die Besuche meiner Schwester, die schönen Momente, die es auch gab. Und das Gefühl .... aus dem Koma erwacht zu sein ... würde sich verstärken. Nein, ich muß etwas tun. Die Zeit ist einfach zu schade, um sie komplett zu verdrängen.

In der letzten Woche war ich zur Routineuntersuchung, um prüfen zu lassen, ob meine Verbandskontaktlinse noch richtig sitzt, wie weit die Abstoßung vorangegangen ist, was die Seefähigkeit macht u.a. 

Meine Tochter und ich waren völlig überrascht, dass sich das Transplantat anscheinend klärt ... also die Trübung zurückgeht. Es wäre alles in Ordnung und ich könnte so weitermachen, wie bisher. Zur Zeit gebe ich nur einmal am Tag ISOPTO MAX als Creme abends in Auge und dann noch ab und zu in der Woche ... FLOXAL tropfen. Der Oberarzt hat sein OK dazu gegeben. 

Eine weitere gute Nachricht auf einem Nebenschauplatz ist mein gesundes Auge. Bisher hat sich Sehfähigkeit seit ich 12 war, jedes Jahr verschlechtert. Mittlerweile war ich bei - 5, 25 angekommen. Nun stellte ich die letzten Wochen fest, dass ich trotz Brille auf diesem Auge schlecht sehen konnte und war darauf eingestellt, dass meine Sehfähigkeit wieder schlechter geworden war. 

Aber dem ist nicht so. In der Uniklinik wurde -4,25 gemessen. Kaum zu fassen. Irgendetwas muss ich richtig gemacht haben. Auf meinem AK Auge bin ich immer noch blind. Das bedeutet, ich sehe nur schemenhafte Flächen von hell und dunkel. Mehr nicht.

Mittlerweile schiele ich anscheinend mit dem kranken Auge auch. Na ja, alles ist besser, als Schmerzen und  diese unerträglich Lichtempfindlichkeit, die mich so lange begleitet haben. 

Meine Gedanken gehen zurück zum Anfang von AK und meinem Willen, mir mein Leben zurückzuholen.

Ich hatte gehofft, die Krankheit hinter mir zu lassen und da wieder zu beginnen, wo ich aufgehört hatte. Aber das ist glaube ich ... unmöglich. AK verändert einen Menschen so sehr, dass alles was danach kommt, auch anders sein wird.

Samstag, 22. August 2015

Verdrängung

Samstag 22.08.2015 - 08.10 

Draußen startet wieder einmal ein wunderbarer Sommertag. Der Himmel ist strahlend blau und die Sonne klettert langsam hinter den Tannen hinauf. Auf meinem hinteren Lieblingsbalkon,  auf dem natürlich schon mein Sonnenschirm aufgespannt ist, ist es so herrlich ruhig. Nur ein leises Rauschen vom städtischen Verkehr ist zu hören, aber ansonsten ist es einfach ruhig um diese Zeit. 

Das sind Momente, in denen ich mein Leben wirklich genieße und einfach glücklich bin. "Was will ich mehr?" Ich habe keine Schmerzen, die Lichtempfindlichkeit ist leicht zu handhaben, beruflich bin ich auf dem Weg 
und Normalität kehrt langsam zurück. 

Gestern frug mich jemand, wie es mir gehen würde. "Och, eigentlich richtig gut. Die Schule hat begonnen, im Atelier kommen die Schüler langsam aus den Sommerferien zurück und alles andere läuft seinen Weg." "Und wie geht's ihrem Auge?" "Dem geht's auch gut, keine Schmerzen, keine  Lichtempfindlichkeit. Nur das ich sicher sein kann, dass irgendwann eine erneute Operation erfolgt, weil die Abstoßung der Hornhaut nicht mehr aufzuhalten ist."

Fast in einem Nebensatz erwähnte ich nur noch die Abstoßung der Hornhaut und wechselte ganz schnell das Thema. Mein Gegenüber schaute sehr erschrocken und ich bemerkte, dass es eine gewisse Sprachlosigkeit auslöste. 

Die Hornhautabstoßung in einem Nebensatz fast beiläufig bemerkt ... ja, das habe ich und muss die ganze Zeit daran denken, wie beiläufig ich das getan habe.

Für mich ist das kein Zeichen dafür, dass ich nun alles hinter mir habe, sondern eher, ein Zeichen meiner Verdrängungskunst. 

Es scheint mir, als säße ich im Flur der Uniklinik, warte auf eine erneute Transplantation und baue mir ... so ganz nebenbei .... ein neues Leben auf. Wie absurd dieser Gedanke und dennoch trifft er genau meine Gefühle. - Für mein Leben brauche ich Optimismus, Ausdauer, Kraft, Zuversicht und Überzeugungskraft.

Wie kann ich das schaffen, wenn ich auch nur im Ansatz meine Angst vor dem Kommenden in meinen Kopf zulasse; meine Angst vor der dritten Transplantation, den eventuellen Schmerzen und einem eventuellen Scheitern meiner bisherigen, manchmal so schweren Existenzarbeit? 

Der Mensch ist ein komisches Tier. Im Moment macht mein Unterbewusstsein genau das, was ich zum "Überleben" benötigen ... Verdrängen. 


Sonntag, 16. August 2015

Unmenschliche Ärzte

... manchen ist ihr Ego wichtiger, als der Patient

Sonntag - 16.08.2015 - 08.35

Zwar könnte ich heute ausschlafen, aber bereits um 06.30 war ich war. - Keine Ahnung warum, aber da ich die morgendliche Ruhe mitten in der Stadt sehr mag, stand ich auf. Draußen sind nur noch 18 Grad. Ein Glück. Die letzten Tage waren es immer so um oder sogar weit über 30 Grad. - ich wusste gar nicht, wie schnell ich schwitzen sollte, um es kühler zu bekommen.

Heute morgen ist das anders. Der Himmel ist bedeckt, an meinen Balkonpflanzen kann ich sehen, dass es vor kurzem erst geregnet hat und es ist ... wie gesagt ... angenehm kühl.

Wiedermal sitze ich mit geschlossenen Augen vor dem Computer und versuche meine Gedanken in Sätze zu formen.

Meine Augen sind geschlossen, nicht weil mein "Trio infernale" wieder da ist, sondern mein Auge morgens nach dem Aufstehen, einfach geschlossen bleiben will. Es dauert mindestens eine Stunde, bevor es sich schickt, sich zu öffnen. - Im Moment genieße ich es, die Augen geschlossen zu halten. Es hat etwas vertrautes, etwas das ich kenne. 

Im Moment kreisen meine Gedanken um ein junges Mädchen, deren Eltern mir schrieben. - Sie beschrieben die Behandlungsweise, die ihrer Tochter von einem Professor, der sich mit AK gut auskennt. Das mag ja wohl sein, denn sonst wäre er nicht Professor geworden. Aber menschlich scheint er eine absolute Null zu sein.

Um sicher festzustellen, dass ein Auge von AK befallen ist und nicht etwas anderes vorliegt, können Ärzte auch eine Abschabung der betroffenen Hornhaut machen. An dieser Stelle erwähne ich nur, dass es Mitten auf der Hornhaut ist. Diese Abschabung wird nur mit örtlicher Betäubung gemacht, sonst nichts. Dieses junge Mädchen hat die Abschabung in kürzester Zeit bereits drei mal über sich ergehen lassen müssen. - Ein Wunder, dass sie sich von diesem Professor nicht mehr behandeln lassen möchte?!

Da dieses junge Mädchen, für mich durchaus nachvollziehbar, Angst vor der Behandlung hatte, zuckte sie zurück, beziehungsweise reagierte. Der Professor wies an, dass ihr Kopf von den Assistenzärzten festgehalten werden sollte. - Als das auch nicht klappte, verließ er wütend den Raum. Der Patient wisse doch, wie ungeduldig er wäre.

Solch einem Arzt sollte man verbieten, Menschen zu behandeln. 






Es ist so wichtig, dass man sich als AK Patient gut bei seinem behandelnden Arzt aufgehoben  und sicher fühlt. - Wie unfähig ist dieser Mann.

Ich schlage vor, alle Ärzte bekommen Tropfen, die ähnliche oder dieselben Symptome hervorrufen, die
AK verursacht. Sagen wir mal .... für eine Woche. Es würde sicherlich einiges an der Behandlungsmethode verschiedener Ärzte verändern.

Sagt man nicht, ein kranker Arzt (bzw. ein Arzt, der selbst schon mal schwer krank war) ist der beste Arzt?


Dienstag, 4. August 2015

Warteschleife

 ... oder das Leben mit der Hornhautabstoßung

Montag, 03.08.3015 - 09.00 

Der Sommer ist zurück und ein strahlend blauer Himmel mit praller Sonne erwartete mich vorhin auf meinem Lieblingsbalkon. Noch immer ist meine Sonnenbrille mein treuer Begleiter und ich wage es nicht, ohne ... den Balkon zu betreten oder auch das Haus zu verlassen. Meine Sonnenbrille ist immer dabei, auf meinem Kopf, wie ein Stirnband, dass die Haare zurückhält. 

Dies ist der erste Sommer nach drei Jahren, in dem ich mich nicht vor der Sonne versteckte. Das ist so unfassbar für mich, dass ich die sommerliche Stimmung draußen auf der Straße, im Park und überhaupt aufsauge, wie ein Schwamm. Immer dabei ist die Angst, dass es ganz schnell wieder vorbei sein kann. 

Eigentlich will ich über meine Angst nicht schreiben, will einfach mein Leben wieder auf die Reihe bekommen und an einem normalen Alltag stricken. Aber sie holt mich ein, diese Angst. Ich hätte nie gedacht, dass sie so präsent ist im Unterbewußtsein. 

Meine Psyche hat es bisher geschafft, vieles einfach auszublenden. So kann ich mich z.B. nicht mehr an die drei Wochen Klinikaufenthalt erinnern, als es im Oktober letzten Jahres so dramatisch wurde und ich beinahe mein Auge verloren hätte. Fast alles ist ausgeblendet; die Schmerzen, das Morphium, die Zeit vor der Operation oder besonders nach der Operation. Ich kann mich auch noch kaum daran erinnern, welche Medikamente ich bekam. Und das betrifft sogar die Medikamente, die ich auswenig runterrappeln konnte und die so lange mein Begleiter waren. Einfach ausgeblendet. 

Im Moment nehme ich Floxal Tropfen, um eine eventuelle Infektion unter der Verbandskontaktlinse zu verhindern und für die Nacht Isopto-Max Creme. kein Brolene mehr!! Das nehme ich übrigens aus eigenem Antrieb seit Januar oder Februar nicht mehr. 

Beim letzten Verbandskontaktlinsenwechsel in der letzten Woche sagte meine Ärztin, das wäre ok und man dürfte davon ausgehen, dass  die Akanthamöben verschwunden sind. toi, toi, toi. - Ich klopfe auf Holz, denn so richtig glauben mag ich es nicht. 

Ganz langsam und manchmal auch mit großen Schritten kommt ein neuer Alltag in mein Leben. Während der letzten drei Jahre hat mich der Gedanke an diesen normalen Alltag, den ich ja irgendwann wieder haben werde, aufrecht erhalten. - Nur ist es völlig anders, als ich erwartet habe.

Mein Auge ist noch nicht gesund. Nach der zweiten Hornhauttransplantation im Oktober 2014 wird auch diese abgestoßen. Wie schnell, weiß ich nicht. Aber sie wird abgestoßen. Die Ärzte versuchen durch die Verbandslinse und Medikamente die Abstoßung so lang aufzuhalten, wie es möglich ist, bis ... sich mein Auge von der letzten OP erholt hat.

Erst dann wird eine geeignete Hornhaut gesucht und in einer OP transplantiert. Wenn ich Glück habe, wird mir gleichzeitig eine neue Kunstlinse eingesetzt. Ja und dann ... dann kann ich vielleicht auf dem kranken Auge wieder etwas sehen.




Mittwoch, 3. Juni 2015

Alles wieder gut ...

... fragt sich nur, wie lange?

Mittwoch - 03. Juni 2015 - 09.00 Uhr

Ein für Juni etwas zu kalter Tag kündigt sich an. Die gemalten Wolken haben sich verzogen und die Sonne bereitet einen wunderbaren Tag vor. Mein Sonnenschirm ist aufgespannt und richtet sich nach dem Wind und nicht nach dem Sonnenstand. Leider ... aber was soll's?!!

Jetzt ist in mein Leben wieder mal die Normalität eingekehrt. Nach dem abendlichen Besuch auf der Notfallstation der Universitätsklinik war ich noch zweimal dort, um die Verbandskontaktlinse anpassen  und das Auge kontrollieren zu lassen. - Nach einigen Versuchen mit normal großen Kontaktlinsen war es die größte Linse, die mir Linderung verschaffte.

Erst nach ein paar Tagen schaffte ich es, mir mein Auge im Spiegel anzuschauen und zu erraten, wie groß diese Verbandslinse ist. - Sie bedeckt das komplette Auge. Größer geht einfach nicht.

Die Rötungen sind ganz langsam zurückgegangen. Und wenn ich schreibe ... ganz langsam, dann ist das nur jeden Tag ein Hauch von Besserung gewesen, der kaum bemerkbar war. 

Nun brauche ich nur noch 1 x täglich FLOXAL zu tropfen (ist gegen eventuelle Infektionen, die sich unter der Kontaktlinse bilden können), jeden Abend 1 x ISOPTO MAX und 1 x Brolene.

Alles eigentlich wunderbar ... aber irgendwie versuche ich im Moment alles was das Auge betrifft zu verdrängen. Ich will unbedingt wieder einen normalen Alltag, in dem ich meiner Aufgabe nachgehen kann, mich vor anderen Sachen fürchte, als vor einer aufflammenden Augeninfektion. 

Leider konzentrieren sich nun aber meine Ängste auf die Nacht. Kurz vor dem Einschlafen steigen sie in mir auf, ohne dass ich sagen könnte, wovor ich Angst habe. Sie schleicht sich in meine Seele, steigert sich und
formt sich zu einer riesigen Mauer, durch die ich hindurch muss, um einschlafen zu können. 

Meinem Auge geht es gut, das Ödem auf der Hornhaut hat sich zurückgebildet und mein Tag wird nicht mehr ausschließlich von Sorge und Gedanken an mein Auge bestimmt. 

Dafür aber schnüren mir Ängste meine Seele ein und fordern, beachtet zu werden.

Ist durchgestandenes Leid ein Trauma? 

Mir sagte einmal ein Arzt, der Körper weiß ganz genau, wann er krank werden kann. - Weiß meine Seele auch, wann sie krank werden darf?