Translate

Freitag, 6. November 2015

Doppelbilder

Samstag, 31.10.2015 - 08.34

Mein Fenster ist geöffnet und ab zu kann ich den vorbeifahrenden Verkehr hören. Ich liebe die frühen Stunden an Wochenenden. Alles ist gleich und doch
anders, ruhiger, nicht so gehetzt. Draußen wird Herbst und heute ist der erste kalte Morgen. Es scheint ein sonniger Tag zu werden und doch habe ich auf meinem Lieblingsbalkon seit Wochen keinen Sonnenschirm aufgestellt. Meine Sonnenbrille reicht mir. 

Meinem Auge geht es gut. Keine Schmerzen, keine übermäßige Lichtempfindlichkeit, kein Tränen. Also mein "Trio infernale", das mich so lange begleitet hat, ist nicht mehr an meiner Seite.

Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt; ein Leben nach AK und ohne Schmerzen, Lichtempfindlichkeit und tränendem Auge. Der Wunsch, mein altes
Leben wiederzubekommen hat mich so lange getragen, aufrecht gehalten, dass ich nun, da es doch anders ist, ein wenig enttäuscht bin. 

Ich kann nicht mehr perspektivisch sehen. Aus diesem Grund muß ich langsamer laufen, um Bodenunebenheiten nicht zu übersehen. Ansonsten stolpere ich und falle. Alles muß ich eigentlich langsamer machen, um mich davon zu überzeugen, wie weit weg es ist, um zu greifen. 

Wenn ich z.B. Motten im Flug fangen will, klappt das nicht. Ich sehe sie fliegen, weiß aber nicht, wie weit weg sie von mir ist. Es sieht nahe aus, ist aber manchmal 20cm weiter weg. So klatsche ich manchmal wie wild in der Luft rum, um sie zu erwischen .. weiß aber, das sieht total lächerlich aus, wenn ich so in der Luft klatsche und viel zu weit weg bin von der Motte. 

Das ist nur eine Kleinigkeit, das mit der Motte ... aber es umschreibt so ungefähr, wie es ist ... nicht mehr perspektivisch sehen zu können.

Andererseits sage ich mir:"Du kannst nicht wieder da anfangen, wo Dir alles vor drei Jahren aus den Händen geglitten ist." - A hat mich verändert und meine engsten Familienangehörigen auch.

Im Moment geht es mir sehr gut. Mittlerweile trage ich die dritte Verbandskontaklinse, die das komplette Auge bedeckt. Ich habe keine Schmerzen, bin normal lichtempfindlich und das komische ist, die Linse
klärt sich auf. Das bedeutet; schließe ich das gesunde Auge, kann ich mit
dem kranken Auge nicht nur helle und dunkle Flecken erkennen, sondern sogar Gegenstände oder Personen. 

Mein Arzt meinte beim letzten Besuch in der Uniklinik, "die Zellen würden sich spreizen" ... was immer das auch heißen mag. Die Abstoßung ist im Gange und kann auch nicht aufgehalten werden. Das sieht der Arzt an den Wasserbläschen. Nur ... wiegesagt, die Zellen der Hornhaut spreizen sich, wie ein Briefträger, dessen Gebiet sich vergrößert hat. Er strengt sich ja auch an, um das komplette Gebiet versorgen zu können. 

Nun gut ... die Abstoßung läuft. Aber ich merke nichts davon und bin zufrieden.

Nur, da ich jetzt mit dem kranken Auge ein wenig mehr sehen kann als nur helle und dunkle Flecken, versucht mein Verstand diese beiden Bilder wieder übereinander zu legen, also ein dreidimensionales Bild zu produzieren.

Tja, das klappt nicht. Mein krankes Auge hat so lange nichts gesehen, dass der Mittelpunkt, in dem sich beide Bilder (vom linken und rechten Auge treffen) sich verschoben hat und auch durch die Transplantation wurde das unterstützt. 

So ungefähr sehe ich manchmal. Natürlich ist das zweite, verschobene Bild nicht so klar, da mir ja die Linse für eine Scharfeinstellung fehlt. In Stresssituationen verdeckt dieses unscharfte zweite Bild mein klares Bild und das macht dann richtig Stress.


Also wenn ich nun die Augen öffne, sehe z.B. den Computerbildschirm aber gleichzeitig ein helles verschobenes Bild ... das nun stört. Ist schon leicht irritierend, zwei Bilder zu "sehen". Es fällt mir eigentlich nicht auf ... nur
wenn ich Stress habe. Und gerade den habe ich im Moment beruflich .

Aber was ist schon Doppelsehen gehen mein "Trio infernale". Nichts, Pinats ... nothing, nada ... Anstellerei. 

Also ... Stell Dich nicht so an und mach weiter.