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Samstag, 4. Oktober 2014

Mal wieder unten

Samstag, 04.Oktober - 09.30 Uhr
Der Tag startet, wie auch die letzten drei Tage ... wunderbar sonnig. Nicht gut für mich. Heute Morgen trank ich meine erste Tasse Kaffee nicht auf meinem Lieblingsbalkon. Schon in der Küche konnte ich am Fenster die strahlende Sonne erkennen, die meinen Lieblingsbalkon überflutete. Nein, es wurde der auf der anderen Seite des Hauses. er ist zwar laut, aber noch im Schatten. 

Nun, wie fast immer, wenn ich am PC schreibe, tue ich das jetzt blind mit geschlossenen Augen, weil ich die Helligkeit des Computerbildschirms nicht ertragen kann. Natürlich habe ich schon zwei Ibuprofen geschluckt und warte auf die Wirkung. 

Ich hoffe natürlich, dass es auch heute wieder die Ibus schaffen, mich Schmerzfrei zu bekommen. Jeder meiner Tage ist einfach eine "Wundertüte" ... nur mit negativer Füllung. 

Ich bin es sooooo satt. Es kommt mir vor, als würde ich eine lange Strecke tauchen und in dem Moment, in dem ich endlich auftauchen will, weil ich keine Luft mehr habe .... drückt mich jemand nach unten und ich erfahre, dass ich noch nicht auftauchen kann. Da darf man doch mal kotzen vor Erschöpfung. 

Am Donnerstag war ich vermummt mit Kappe und Sonnenbrille in der Uniklinik. Auch Donnerstag war ein wunderbar, sonniger Tag. Alle trugen nur T-Shirts und Sonnenbrillen; waren einfach nur luftig, leicht bekleidet. Sicherlich gebe ich mit dieser doofen Kappe und der überdimensionalen Sonnenbrille ein komisches Bild. Es ist die Sonnenbrille meiner Tochter, die sie mir schon zu Anfang der Erkrankung gab. Sie war nicht billig, sieht bei mir aber aus, als wäre ich eine großes Insekt. Nur ... und das ist wirklich hervorragend ... kann ich meine normale Sehbrille tragen und diese Sonnenbrille zusätzlich noch drüber. Bei Bedarf ist sie schnell auf meinem Kopf platziert. Naja, das Aussehen ist in meiner Situation wirklich das Letzte, woran ich mich störe. 

Also am Donnerstag in der Uniklinik: Wie fast immer, war meine Tochter an meiner Seite und wartete mit mir. Knapp zwei Stunden saßen wir in dem, wie immer, Menschen übervollen Flur. Manchmal schaue ich, ob noch jemand mit Sonnenbrille dort sitzt. Aber nein, saß niemand. Da waren gutgelaunte Rentner, die sich lautstark über irgendwas unterhielten, so daß man das Aufrufen der einzelnen Patienten kaum mitbekam. Da waren Eltern mit Kindern, nicht so gut gelaunt, weil sie wahrscheinlich schon Stunden warteten. Körperlich gebrechliche ältere Menschen, die mit ihren Betreuern, die nicht gerade leise schauspielerten, wie viel sie doch für diesen gebrechlichen Menschen taten. So wirkte es auf jeden Fall auf mich. Und da waren dann die stillen, so wie meine Tochter und ich, die sich mit lesen oder ihrem Handy beschäftigten. Die Luft dort im langen, langen Flur war wie immer schlecht und verbraucht. 

Ich mag das Warten im Flur einfach nicht.  Punkt. Besonders mag ich die ungeduldigen Erstpatienten der Uniklinik nicht, die sich schon nach 20 Minuten Warten lautstark aufregen, wie lange es doch dauert. Na ja, sie werden schon merken das 5 Stunden Warten gar nichts ist und völlig normal.

Diesmal brauchten wir nicht erst zum Assistenzarzt, sondern als ich aufgerufen wurde, war der Oberarzt auch da. 
 
Eins meiner Atelierfenster im Dunkeln.



Die Wunde auf der Hornhaut würde beginnen zu heilen. Es hätte sich nur ein Zellklumpen gebildet, den müsste er entfernen. 

Das wollte ich doch gar nicht hören. Ich wollte hören ... na super, das Loch ist zu. Nun gehen wir in die Zielgerade. - Aber nein, ich durfte noch nicht "auftauchen". Das war der Moment, in dem ich begann zu weinen. und ich konnte es einfach nicht mehr stoppen. Meine Tochter war schon irritiert. "Was ist Mama? Hast Du Schmerzen?" - Nein, Schmerzen waren auszuhalten, denn ich hatte ja diese tollen Betäubungstropfen bekommen. Sie vermutete dann, dass es an dem im AK-Forum Gelesenem lag.

Ich hatte ihr ein paar Tage vorher davon erzählt. - Bei einer Patienten in den Niederlanden wurde eine zweite Hornhauttransplantation nicht gemacht, sondern etwas anderes ... und wenn das nicht klappen würde, würde ihr das Auge entfernt. - Meine Tochter also meinte, deshalb würde ich so weinen, weil ich vermutete, dass ich denselben Weg gehen würde. 

Nein, das war es nicht. Ich sagte noch zu ihr ... wenn ich die Schmerzen und die Lichtempfindlichkeit endlich loswerden würde, wäre der Verlust meines Auges zu akzeptieren. Wirklich, ich glaube, damit könnte ich leben.

Mein Weinen, das ich einfach nicht stoppen konnte, war einfach psychisch. immer wenn ich in der Uniklinik bin, stürmen alle Erinnerungen auf mich ein, einfach das komplette Elend der letzten zwei Jahre. Außerdem ist da dann noch die Angst um die berufliche Existenz, die sich ja auch finanziell bemerkbar macht.

Im Täglichen schaffe ich es, all diese Gedanken wegzudrücken, mich abzulenken. Nur eben in der Klinik schaffe ich das nicht. Alles ... was gewesen ist und meine Ängste, was noch kommen wird ... stürmen auf mich ein und überfluten mich. 

Erst am folgenden Tag hatte ich mich etwas gefangen und dennoch bemerke ich, dass ich ganz schön dünnhäutig geworden bin.   


Mal sehen, wie der Tag wird.
Neuer Tag, neues Glück.



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