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Montag, 8. September 2014

Steaks und Familienfotos

Viel zu schnell geht so ein Sonntag, der ohne beruflichen Termindruck ist und  der nur entspannt genossen werden will, vorbei. Nach dem anstrengenden Samstag hatte ich mich richtig auf den freien Sonntag gefreut.

Da wir das schon lange nicht mehr gemacht hatten, war mein Plan für diesen Tag, meine Tochter, ihren Freund zum Steak-Essen zu mir einzuladen. Natürlich war mein Sohn auch von der Partie; denn wer kann schon zu einem 200g Steak nein sagen?!

Bis ungefähr um 13.00 Uhr dachte ich, ich müsste alles absagen. Mir ging es richtig miserabel. - Aber manchmal kann ein Schmerzcocktail Wunder bewirken; zumindest für ein paar Stunden. So war es dann auch gestern. Für exakt 4 Stunden half der Cocktail, bevor sich mit steigender Lichtempfindlichkeit und Tränen die Schmerzen wieder ankündigten. 

Leider verpasste ich einmal den Termin für einen neuen Schmerzmittelcocktail, so dass ich in der Dämmerung des Tages mit Sonnenbrille auf dem Balkon saß und mir sogar das Licht eines Feuerzeuges zu hell war. Ich merkte recht deutlich das Zusammenziehen meiner Pupille. Ja und das schmerzt einfach tierisch!!!

Trotz allem war es ein richtig gemütlicher Sonntag, mit gutem Essen, vielen Gesprächen, einigem Lachen und dem Betrachten alter, sehr alter Fotos. Meine Schwester hatte bei ihrem letzten Besuch diese Fotos mitgebracht. Das älteste war über 100 Jahre alt und zeigte meine Urgroßmutter mit ihren drei Töchtern. Eine von diesen Töchtern, die älteste (auf dem Foto vielleicht 11 oder 12 Jahre alt) war meine Großmutter.

Eigentlich war dieses Foto eine Postkarte, in Breslau gemacht und an meinen Urgroßvater 1916 nach Sibirien in die Kriegsgefangenschaft geschickt worden. In unserer Familie wurde nicht viel über meine Urgroßeltern erzählt, obwohl in unserer Familie (zu mindestens mütterlicherseits) viel von früher, der Familie und Lebensart erzählt wurde. Wenn es nicht Märchen waren, die uns als Kind vor dem Schlafengehen vorgelesen wurden, dann waren es diese alten Familiengeschichten und natürlich die Geschichten der Flucht aus Schlesien, die wir hörten. 

Heute, als Erwachsene, realisiere ich schon, dass sie oft abgeschwächt wurden. Ich kann mich an die Geschichten meiner Mutter aus Kriegszeiten erinnern. Sie klangen, wie Abenteuergeschichten. Immer mit guten Ausgang. 

Das erwähne ich auch nur, weil eben über meine Urgroßeltern fast nichts erzählt wurde. Die Geschichten über beide kenne ich kaum. Über meine Urgroßmutter noch weniger, als über meinen Urgroßvater. 

Zurück zu diesem über 100 Jahre alten Foto, das eigentlich eine Postkarte war. Es muss dieses Foto sein, um das sich eine Geschichte rankt, die meinen Urgroßvater betrifft. Er war wohl im 1. Weltkrieg, als Soldat in russische Kriegsgefangenschaft geraten. Nun weiß ich nicht, wie lange er in Sibierien war, aber ich weiß, dass er fliehen konnte und sich zu Fuß Richtung Heimat aufmachte. Nichts passierte ihm unterwegs. Nur an der Grenze zu Deutschland, wäre er beinahe erschossen worden. Nicht von den Russen, sondern von den Deutschen. Anscheinend trug er warme Kleidung, wie sie Russen trugen und er muss wohl einen langen dichten Bart gehabt haben. Ja und so sah er natürlich mehr russisch, als deutsch aus. 

Glücklicherweise hatte er eben dieses Foto seiner Familie dabei., dass ihm sozusagen das Leben gerettet hat. 

Er muss wohl damals auch auf dem Foto (Postkarte) gewesen sein, aber irgendjemand hat ihn fein säuberlich weggeschnitten; hatte sich die Mühe gemacht ihn so zu entfernen, dass von den Kindern, die wohl dicht bei ihm standen, nichts weggeschnitten wurde. 

Wann, warum und wer das gemacht hat? Keine Ahnung. Aber dem komme ich auch noch auf die Spur. 

Gestern war wirklich ein schöner, gemütlicher Sonntag, der mich von meinem Auge ablenkte; mich nicht ständig daran denken ließ, dass ich den Tag nur mit meinem Schmerzmittelcocktail durchhalten konnte. 

Und was will ich mehr, als einen Tag im Kreise meiner kleinen Familie.

Gibt es etwas Schöneres?!







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